Belastende Alltagssituation
Eine belastende Alltagssituation, die in dieser Art täglich vorkommen kann und die Beziehung belastet:
Eine junge Mutter betritt gegen Abend den Bus mit ihren drei kleinen Kindern. Das jüngste sitzt im Buggy. Die älteren Kinder setzen sich auf einen Sitz. Die Mutter bleibt beim jüngsten. Das mittlere Kind, ein ca drei Jahre alter Junge, zieht seine Winterstiefel aus und lässt diese zu Boden plumpsen, was die Mutter stresst.
Die Mutter sagt zu ihm mit beherrschter Stimme, er solle seine Stiefel sofort wieder anziehen. Der Junge reagiert nicht auf die Aufforderung. Sie schaut ihn böse an und fordert ihn nochmals auf, seine Stiefel wieder anzuziehen. Diesmal begründet sie ihre Aufforderung. Sie erklärt ihm, dass sie schon bald wieder aussteigen würden. Der Junge ist sehr müde und reagiert nicht. Die Mutter wirkt nun gestresst und herrscht ihn an, seine Stiefel anzuziehen. Keine Reaktion. Sie schimpft nun mit ihm, sagt ihm, dass er halt ohne Stiefel aussteigen müsse und dann kalte Füsse kriegen würde. Die junge Mutter lässt den Buggy los, nimmt die Stiefel und zieht sie dem widerstrebenden Jungen gewaltsam über die Füsse.
Das Kind weint und beginnt, die Stiefel wieder abzustrampeln. Die Mutter ist echt entnervt und zischt den Jungen böse an. Nun beginnt auch das Jüngste im Wagen zu quengeln. Zum Glück kommt der Bus endlich an, der Junge hat die Stiefel noch an und die arme Mutter kann dem Bus mit den schreienden Kindern entfliehen. Die Fahrt hat gut 15 Minuten gedauert.
Diese Situation kann in der einen oder anderen Weise immer wieder beobachtet werden.
Wie könnte eine Mutter in dieser Alltagssituation entspannt bleiben?
Analyse
Die betreffende Mutter hat den Jungen kein einziges Mal gefragt, warum er die Stiefel auszieht.
Normalerweise tun Kinder solches nicht grundlos. Wir können nur spekulieren, da wir ihn nicht fragen können:
- Er hat zu heiss in den Stiefeln.
- Die Stiefel drücken.
- Er sitzt bequem auf dem Bussitz und hat einfach Lust, die Stiefel auszuziehen, um die Gemütlichkeit noch zu erhöhen.
- Er hat schon gelernt, dass man die Füsse nicht mit Strassenschuhen auf den Sitz legt und wollte seine Schuhe vorsichtshalber schon mal ausziehen.
Das wären alles sehr vernünftige Gründe, die Stiefel auszuziehen und wir können davon ausgehen, dass einer der oben erwähnten Gründe zugetroffen hat.
Die Mutter ihrerseits war ebenfalls sehr müde. Es schien, als käme sie von einem Besuch und wäre auf dem Heimweg. Über ihre Situation können wir wie folgt spekulieren:
- Sie möchte ohne grosse Aufregung heimkommen, da sie und auch die Kinder bereits sehr müde sind.
- Sie befürchtet, dass der Junge sich weigern wird, die Stiefel wieder anzuziehen, da sie das schon erlebt hat.
- Sie hat Angst, dass es dem kleinen Jungen nicht mehr rechtzeitig reichen wird, die Stiefel wieder anzuziehen.
Mögliche Lösungen
Die Mutter gibt dem Jungen Zuwendung indem sie ihm bestätigt, dass er müde ist und sich wohler fühlt ohne Stiefel. Sie weiss, dass die Bussfahrt noch ungefähr eine Viertelstunde dauern wird. Also kann sie nun sicher 5 Minuten abwarten. Der Junge wird sich in dieser Zeit etwas erholt haben. Dann kann sie ihn darauf aufmerksam machen, dass sie in einiger Zeit wieder aussteigen müssen und sie froh wäre, wenn er bis dann die Stiefel wieder anhätte. Da ein Kind in diesem Alter noch keine konkrete Vorstellung von Zeit hat, braucht der Junge Hilfe. Sie kann ihm sagen, dass sie ihn zwei Stationen vor dem Aussteigen daran erinnern wird, die Stiefel anzuziehen. Da der Junge müde ist und Zuwendung braucht, könnte sie ihn fragen, ob sie ihm die Stiefel anziehen soll.
Ich bin sicher, dass durch eine solche Intervention dieses kleine Alltagsdrama hätte verhindert werden können und die Mutter und ihre Kinder den Heimweg friedlich hinter sich gebracht hätten.
Vielleicht hat eine Leserin oder ein Leser noch weiterer Anregungen für eine sinnvolle Interventionen in solchen belastenden Alltagssituationen.