Ist die Forderung nach mehr Tagesschulen noch zeitgemäss?
Braucht es eine Tagesschul-Offensive?
Vorausschicken möchte ich, dass meine Mann und ich auch während der Zeit des Freilernens unserer Kinder immer auch berufstätig gewesen sind.
1. Ausgangslage
Ich bin immer etwas erstaunt, wenn gut ausgebildete, intelligente, junge Eltern sich darüber ärgern, dass es zu wenig Tagesschulen bzw. Kindertagesstätten gibt. Nachbarländer und ganz besonders die nordischen Länder haben diese Forderungen schon vor Jahrzehnten erfüllt. Man könnte nun davon ausgehen, dass sich die Gesellschaft weiter entwickelt hat und neue Bedürfnisse entstanden sind. Doch scheint es so, dass die junge Schweizerfamilie heute dieselben Bedürfnisse hat, wie unsere Nachbarländer vor vielen Jahren. Wie kann das sein?
2. Sind wir rückständig?
Ich persönlich kann schon auf viele Arbeits- und Familienjahre zurückschauen und darf feststellen, dass das Schaffen von ausserfamiliären Betreuungsmöglichkeiten immer mit der Konjunktur und den zu Verfügung stehenden Fachkräften verbunden war. Hatte es zu wenig Fachkräfte, waren viele Unternehmen bereit, eigene Krippenplätze anzubieten, um die Frauen in die Arbeitswelt zu holen. War das Angebot an Fachkräften gross, dann konnte man zusehen, wie die Unternehmen ihre Kindertagesstätten schlossen.
Also sind die Familien und besonders die Frauen Spielball der Wirtschaft!
Dass sich gut ausgebildete Frauen und Männer trotz Familie beruflich einbringen und weiterentwickeln wollen, ist normal und ein vernünftiges und legitimes Bedürfnis. Dass daraus geschlossen wird, die Kinder auszulagern, jedoch nicht.
3. Eine Petition für eine Familien-Offensive
Statt immer mehr ausserfamiliäre Betreuungsinstitutionen zu fordern, welche den Bedürfnissen der Kinder nicht wirklich gerecht werden können, müsste viel mehr die Familie als Institution gestärkt werden.
Wie müsste also ein Forderungskatalog für eine Familien-Offensive aussehen:
Eltern sind sich der Wichtigkeit der Bindung bewusst.
Unternehmen schaffen mehr Teilzeitstellen, auch im Führungsbereich.
Der unsinnige Leistungsdruck an der Arbeitsstelle wird abgebaut.
Die Arbeitgeber betrachten ihre Mitarbeiter als Menschen und nicht als Human Resources.
Die Arbeitgeber erkennen die Wichtigkeit einer intakten Familienstruktur für die Gesellschaft und das eigene Unternehmen.
Die Solidarität unter den Mitarbeiter/innen wird gefördert.
Die Politik erkennt die Wichtigkeit der Familien für die Gesellschaft und die Wirtschaft. Sie schafft Instrumente finanzieller und struktureller Art, um Familien gezielt zu fördern.
4. Sind diese Forderungen realistisch?
Ja, das sind sie! Ich selber habe in einer Institution gearbeitet, in der eine Frau in Teilzeitarbeit die Führungsrolle inne hatte. Wenn ein Kind eines Teammitglieds krank war, war für alle klar, dass das Priorität hatte. Wenn andere familiäre Verpflichtungen anstanden, dann brachte man das ins Team ein. Es wurde so organisiert, dass solchen Verpflichtungen immer nachgegangen werden konnte.
Das Fazit: Wir waren ein sehr gut funktionierendes Team, das effiziente und qualitativ hochstehende Arbeit leistete. Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter war motiviert und setzte sich entsprechend engagiert ein. Es war also – um im Managerjargon zu sprechen- eine Win-Win-Situation.
Ich plädiere dafür, dass sich junge Familien nicht für mehr Tagesschulen, sondern für familiengerechte Arbeitsplätze einsetzten. Das wäre ein Fortschritt unserer Gesellschaft!
Bücher dazu:
- Unserer Kinder brauche uns, Gordon Neufeld, Genius Verlag
- Der Neufeld-Ansatz für unsere Kinder, Dagmar Neubronner, Genius Verlag